Mediales Coming-out: Basketballer Marco Lehmann ist schwul

Knapp ein Jahr nach Schwinger Curdin Orlik outet sich ein Schweizer Mannschaftssportler

marco lehmann
marco lehmann

Sein privates Umfeld wusste es schon lange, jetzt wagt Marco Lehmann den Schritt an die Öffentlichkeit. Der Basketballer ist schwul.

Homophobe Bemerkungen von Teamkollegen hinderten Marco Lehmann lange daran, sich im Basketball so zu geben wie er ist. Bis heute: Der Spitzensportler outet sich im Tages-Anzeiger als schwul. Die Schlagzeile: «Als schwuler Spitzensportler wirst du ein guter Lügner».

Der 27-Jährige erinnert sich an eine Rückreise von einem Auswärtsspiel im Mannschaftsbus. Lehmann stellt sich schlafend, während seine Kollegen ein paar Reihen weiter über Schwule reden. «Umbringen sollten sich die», sagt der eine.

Seinem privaten Umfeld hatte sich Lehmann schon vor Jahren anvertraut. Mit 20 Jahren bringt er seinen ersten Freund nach Hause. Als er an der Fachhochschule Rapperswil sein Studium beginnt, ist er von Anfang an ehrlich. Die Reaktionen sind positiv und ermutigen ihn.

Auf dem Spielfeld fühlt er sich jedoch noch nicht dazu bereit. Nach einem Sieg klatscht er seinen Freund ab, statt ihn zu küssen. An die Topskorer-Gala nimmt er nicht ihn, sondern die Eltern als Begleitung mit. Seine grösste Angst: «Wenn mich wegen meines Schwulseins kein Club mehr will, ist meine Karriere vorbei.»

Der eigene Erfolg dürfte Lehmann weiter eingeschüchtert haben. Nach der Nationalliga B mit Aarau und Zürich spielt er mit Luzern in der Nationalliga A und wird Topskorer. Dann kommt er zu Fribourg Olympic, gemäss dem Tages-Anzeiger der mit 17 Meistertitel erfolgreichste Clubs des Landes.

Corona als Rettung

Doch Lehmann kann nicht mehr. Im Dezember 2019 hat er die Freude am Basketball verloren und ist verzweifelt. Wenn er an den Sport denkt, wird ihm schlecht und kalter Schweiss bricht aus. Nach schlaflosen Nächten sagt er «krankheitshalber» alle Trainings ab. Dann kommt Corona: Die Meisterschaft wird erst unterbrochen, danach abgesagt, und Lehmanns Vertrag endet. Die Pandemie rettet seine Leidenschaft zum Basketball, denn nun geht es ihm Tag für Tag besser. Rückblickend sagt er gegenüber dem Tages-Anzeiger: «Ich hätte 2020 nicht Basketball spielen können.» 

Im Herbst gibt der Basketball-Weltverband (FIBA) eine verkürzte 3×3-Meisteschaft bekannt. Für das dynamische Halbfeldformat «3 gegen 3» ruft der Schweizer Basketballverband ein Nationalteam ins Leben und Lehmann schafft die Auswahl auf Anhieb. Mit seinen drei Mitspielern gründet er das Team Lausanne und muss sich nun niemanden mehr rechtfertigen. Dem öffentlichen Coming-out steht nichts mehr im Weg.

In den letzten Monaten hatte sich Lehmann mit dem Schwinger Curdin Orlik ausgetauscht, der sich knapp vor einem Jahr medial geoutet hatte (MANNSCHAFT berichtete). «Er versteht mich und meine Lage wirklich», so Lehmann, «weil man mich und meine Lage nur verstehen kann, wenn man selber Spitzensport betreibt.»

Nach Orlik und Lehmann hofft Dachverband Pink Cross auf einen neuen Trend. «Das ist gewaltig und könnte den Dominoeffekt verstärken, der momentan in der Schweiz zu spüren ist», jubelt Co-Präsident Michel Rudin gegenüber dem Tages-Anzeiger. Er hofft, dass sich nun auch weitere Spitzensportler*innen ermutigt fühlen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass der Basketball zum Vorreiter wird. 2013 outete sich Jason Collins als erster aktiver Profisportler in den vier grossen US-Profiligen als schwul. MANNSCHAFT veröffentlichte damals die persönlichen Gedanken des heute 43-Jährigen, die ihn zum Coming-out bewegten.

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