Macht K-Pop schwul? Behörden in Pakistan lassen BTS-Poster entfernen

Aus Sorge vor der Verbreitung nicht-traditioneller sexueller Orientierungen griff die «Islamische Gemeinschaft» in Gujranwala ein

Ein Poster zum Geburtstag des K-Popstars Jungkook in Gujranwala (Foto: @Jungkook_SNS / Twitter)
Ein Poster zum Geburtstag des K-Popstars Jungkook in Gujranwala (Foto: @Jungkook_SNS / Twitter)

Im streng religiösen Pakistan haben Behörden Angst, ein Geburtstagsgruss für ein K-Pop-Bandmitglied könnte Homosexualität «bewerben». Sie liessen das XXL-Poster in der Zweimillionenstadt Gujranwala in der Provinz Punjab (nordwestlich von Lahore) entfernen.

Fans der südkoreanischen Popband BTS («Bangtan Boys») gibt es weltweit, u. a. weil ihre Musik in verschiedenen Sprachen veröffentlicht ist. Erst im Sommer 2021 kletterte die dritte englischsprachige Single «Permission to Dance» der K-Pop-Band in die US Billboard Hot 100 Charts. Es war der fünfte Nummer-eins-Hit von BTS innerhalb von zehn Monaten. Das machte die Boyband zur Gruppe mit den meisten Topplatzierungen innerhalb so kurzer Zeit seit Michael Jackson 1988.

Auch in anderen Regionen der Erde sich die Jungs ganz gross im Geschäft und haben Millionen von Fans. Diese nennen sich «A.R.M.Y.», was für «Adorable Representative M.C. for Youth» steht, «M.C.» bedeutet «Military Committee».

Eine BTS ARMY gibt es auch in Pakistan. Und diese hat anlässlich des 24. Geburtstags von Bandmitglied Jungkook am 1. September ein überlebensgrosses Poster in Auftrag gegeben, das an einer Strassenkreuzung in Gujranwala aufgehängt wurde. Vergleichbare Aktionen von Fans gab es weltweit.

Auf dem Poster sieht man das jüngste Mitglied der Band lächelnd in einem etwas zu weit sitzenden Nadelstreifenanzug, darüber der einfache Schriftzug «Happy 24th Birthday». Unten steht auf dem Poster: «Jungkook BTS Gujranwala Army.»

Ruiniertes Image Während die Fans das Giga-Poster anhimmelten, reagierten die Behörden in dem von der islamistischen Partei Jamaat-e-Islami (zu Deutsch: «Islamische Gemeinschaft») mitregierten Land weniger begeistert, steht es doch ihrer selbsterklärten «Missionierungsarbeit» entgegen. (MANNSCHAFT berichtete darüber, wie schwule Männer in Pakistan nach Begegnungen via Dating-Apps ermordet wurden.)

Der Jamaat-e-Islami-Politiker Furqan Aziz Butt erklärte VICE World News: «Wir haben von Menschen etliche Beschwerden erhalten. In der Stadt gibt es viele junge Personen. Diese Gruppe [BTS ARMY, Anm.] hat einen negativen Einfluss auf sie und bestärkt sie, falschen Aktivitäten nachzugehen. Sie bewerben Homosexualität.»

Diese Gruppe hat einen negativen Einfluss auf junge Menschen und bestärkt sie, falschen Aktivitäten nachzugehen

Der Politiker fragt, warum das Poster überhaupt aufgehängt wurde: «Es bewirbt keine Marke, sie verkaufen damit kein Produkt. Die Leute, die es angebracht haben, nennen sich selbst Gujranwala Army. Aber es gibt in Pakistan nur eine Armee.»

Der 24-jährige Student und BTS-Fan Zainab Zaman aus Islamabad sagt zu Vice: «Der Gujranwala-Vorfall hat Pakistans BTS ARMY sehr schwer geschadet. Ein Politiker taucht plötzlich aus dem Nichts auf und erklärt, dass BTS Homosexualität bewerben würde und Vulgarität verbreite. BTS haben nie vulgäre Ausdrücke in ihren Liedern verwendet. Vielmehr geht es [in den Songs] darum, sich selbst zu lieben und glücklich zu sein. Weiss dieser Mann nicht, dass er mit dieser Aktion das Image Pakistans ruiniert?»

Man könnte hier fragen, ob es am Image des Landes noch viel zu ruinieren gibt? (MANNSCHAFT berichtete über die dramastische Lage von trans Menschen in Pakistan.)

Vorfall in Russland Auf alle Fälle ist es nicht das erste Mal, dass BTS-Bilder abgelehnt wurden aus Angst, sie könnten Homosexualität bewerben. Erst im Sommer hatte eine Druckerei in Russland sich geweigert, Fotos als Poster auszudrucken für ein Café, das sich auf K-Pop spezialisiert hatte. Zur Begründung hiess es, man wolle nicht, dass «Kinder zu Perversen werden».

Die Druckerei hatte den Auftraggeber*innen nach Sichtung der Fotos eine Textnachricht geschickt mit der Frage: «Verstehe ich das richtig, dass diese Menschen eine nicht-traditionelle Orientierung haben?» Darauf folgte der Nachsatz: «Wir drucken das nicht.» (MANNSCHAFT berichtete über einen Balletttänzer, der in Russland nicht offen schwul leben kann.)

BTS
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Bislang ist von keinem der BTS-Mitglieder bekannt, dass er schwul bzw. Teil der LGBTIQ-Community sei, heisst es in einem Artikel des queeren Popkulturmagazins Out.com. Aber über den Einfluss von Musik auf die sexuelle Orientierung gibt es mehrere neue Bücher, etwa Darryl W. Bullocks grossartiges «David Bowie Made Me Gay: 100 Years of LGBT Music».

Über «Ein Jahrhundert homosexuelle Liebe auf Schallplatte und CD» geht Ralf Jörg Rabers gleichnamige Dokumentation in Buchform von 2010. Etliche der darin behandelten Lieder – denen sich auch Bullock in einem historischen Überblick widmet – werden diese Woche im Berliner SchwuZ in einem «multimedialen queeren Cabaret» aufgeführt unter dem Titel «Lila Lied». Benannt nach dem Mischa-Spoliansky-Schlager von 1921, wo sich erstmals Menschen offen als «Wir sind nun einmal, anders als die andern» feierten. Was man als erst LGBTIQ-Hymne der Welt bezeichnen könnte.

Die Jungs von BTS haben derweil schon öfter eines der grössten K-Pop-Tabus gebrochen und sich für LGBTIQ-Rechte ausgesprochen. Dabei wiesen sie explizit darauf hin, wie wichtig es sei, solche Rechte zu respektieren, um die «geistige Gesundheit» ihrer Fans zu garantieren.

Protest gegen «Motherfucker» Ein BTS-Fan schrieb nach der Entfernung des Posters in Gujranwala auf Twitter: «Lasst uns diesen mfs [Motherfuckers] sagen, wie sehr wir Jungkook sowie BTS lieben. Und lasst uns die Hashtags #WeLoveYouJungKook, #PakistanlovesBTS, #BTSisPakarmyspride zu Trends machen.»

In einem Kommentar dazu ist zu lesen: «Ahnungslosigkeit und toxische Männlichkeit sind eine schreckliche Kombination.» Darunter postete der/die User*in Kelly La Road ein Foto des Politikers Furqan Aziz Butt, der 171 (!) Twitter-Follower*innen hat. Nur zum Vergleich: die offizielle BTS-Twitter-Seite hat über 33 Millionen, von diversen Unter- und Fanseiten mit ihren Follower*innen ganz zu schweigen.

Pakistan
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