«Bi the Way» – Lesben und der Katy-Perry-Stress

Die neue MANNSCHAFT-Kolumne von Anna Rosenwasser

Anna Rosenwasser, LOS, Lesbenorganisation, LGBTIQ+
Anna Rosenwasser, LOS, Lesbenorganisation, LGBTIQ+

Lesben sind kein heisses Zwischenspiel einer hetero Beziehung und kein Ausflug ohne Aussicht, schreibt Anna Rosenwasser. Die Aktivistin und Kommunikationsleiterin der Lesbenorganisation Schweiz LOS lebt in Zürich und schreibt ab sofort regelmässig eine Kolumne* für die Printausgabe von Mannschaft Magazin.

«Hey, es gibt was, das stresst mich sooo fest.» Gayla lehnt sich an den Postkasten, in den ich gerade einige Briefe werfe. Natürlich heisst sie eigentlich Leyla. Aber wenn du lesbisch bist und sich dein Name auf Gay reimt, musst du diese Gelegenheit ausnutzen.

«Letztens hab ich eine alte Schulkollegin getroffen, ich kenn die von ganz früher», beginnt Gayla zu erzählen, während wir uns vom Briefkasten entfernen, «Ich hab nebenbei erwähnt, dass die Lesbenparty, die wir schmeissen wollten, wegen Corona ins Wasser gefallen ist.» Gayla schaut traurig. Es wäre eine fantastische Lesbenparty geworden. «Jedenfalls fing sie so an zu grinsen und sagte, sie würde dann gern eingeladen werden, wenn die Party stattfindet.» – «Ist doch cool?» – «Nein, Anna, nicht cool, glaub mir, nicht cool.»

Gayla schüttelt den Kopf, während wir entlang der Zürcher Langstrasse spazieren. «Die ist seit 13 Jahren mit ihrem Freund zusammen. Ich so: Seit wann bist du denn bi?, und sie so: Also, ich mein, ich bin nicht . . . aber mein Freund sagte, ich dürfe das ausprobieren. Also nicht mit Männern. Einfach mit Frauen. Ich könne ihm ja dann Fotos schicken. Hey, das stresst mich so! Warum stresst mich das, Anna?»

Es ist ein bekanntes Phänomen: Ein Mann erlaubt seiner Partnerin, an Partys mit Frauen rumzumachen. Katy Perry hat ein ganzes Lied darüber geschrieben, «I kissed a girl and I liked it/hope my boyfriend don’t mind it.»

Ich mein, wir können jetzt auch einfach sagen: Chill deine Basis, Rosenwasser, offene Beziehungen sind doch in Ordnung. Ja, klar sind offene Beziehungen in Ordnung (sogar sehr, Zwinkersmiley), aber um Beziehungsformen geht es hier nicht. Wann hast du zuletzt von einem offenen Heteropaar gehört, wo der Mann nur mit Männern rummachen durfte? Wann hast du Justin Bieber zuletzt darüber singen gehört, dass er für einen Abend mit Jungs geknutscht hat, «hope my girlfriend don’t mind it»?

Macht ruhig bisschen rum und schickt mir dann Fotos, damit ich auch was davon hab.

Niemals. Weil es hier eigentlich darum geht, dass viele hetero Dudes es heiss und komplett harmlos finden, wenn ihre Freundin mit einer Frau was hat. «Mit Frauen darfst du, aber mit Männern nicht», heisst eigentlich: Von Männern fühl ich mich bedroht. Aber von Frauen?! Macht ruhig bisschen rum und schickt mir dann Fotos, damit ich auch was davon hab.

«Dich stresst das, weil sich so ein random Dude in deine lesbische Sexualität einmischt», antworte ich Gayla bestimmt, «genau!», quittiert Gayla, «ich bin kein fucking Experiment!»

Lesben sind kein Experiment. Sie sind kein heisses Zwischenspiel einer hetero Beziehung, sie sind kein Ausflug ohne Aussicht – «als wären Männer the real deal, als würden Frauen dann eh irgendwann zu Dudes zurückkehren», schliesst Gayla.

Aus der stolzen bisexuellen Praxis will ich ausserdem leise hinzufügen: Liebe Hetero-Jungs, wenn ihr glaubt, eure Freundin kehre nach Frauendating zu euch zurück, dann unterschätzt ihr, wie fantastisch es ist, Frauen zu daten.

Ihr habt Angst, dass irgendein Mann euch eure Freundin wegschnappen könnte? Wartet erstmal, bis sie mit einer Lesbe rummacht.

*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

Unterstütze LGBTIQ-Journalismus

Unsere Inhalte sind für dich gemacht, aber wir sind auf deinen Support angewiesen. Mit einem Abo erhältst du Zugang zu allen Artikeln – und hilfst uns dabei, weiterhin unabhängige Berichterstattung zu liefern. Werde jetzt Teil der MANNSCHAFT!

Das könnte dich auch interessieren