«Wir fühlen uns verpflichtet, die LGBTIQ-Community zu unterstützen»
Koikoi-Sänger Marko Grabež im Interview mit MANNSCHAFT+
Bei Koikoi singt man Serbisch. Die Band hat sich einen Namen aufgrund ihrer Unterstützung für LGBTIQ gemacht. Frontmann Marko Grabež über queere Liebe und europäische Perspektiven.
Marko Grabež aus Belgrad ist Sänger und Gitarrist des Indie-Rock-Quartetts Koikoi, ausserdem Schauspieler. Mit seiner Band hat er in den letzten drei Jahren ein internationales Publikum in ganz Europa erreicht. Derzeit bereiten sich die Mitglieder auf das zweite Album vor, das im Frühjahr 2025 erscheinen soll. Die erste Single soll es schon im Herbst geben.
Marko, Ihr habt 2022 auf der Europride in Belgrad gespielt und setzt euch für die LGBTIQ-Community ein. Woher kommt diese Verbindung? Alle Mitglieder von Koikoi glauben fest an Gleichberechtigung, Akzeptanz und die Kraft der Musik, Menschen zusammenzubringen. Da wir in Serbien leben, fühlen wir uns verpflichtet, die LGBTIQ-Gemeinschaft und andere diskriminierte Gruppen zu unterstützen. Wir glauben, dass jeder, der eine öffentliche Stimme hat, diese Verantwortung übernehmen sollte.
Unser Auftritt bei der Europride war für uns eine wichtige Gelegenheit, unsere Werte zu präsentieren und mit unseren Familienmitgliedern, engen Freund*innen, Mitarbeiter*innen, Fans und Kolleg*innen zusammenzustehen.
Ich persönlich habe die Kämpfe und die Diskriminierung miterlebt, mit denen enge Freund*innen konfrontiert waren, als sie sich als queer geoutet haben, oder noch schlimmer, als sie ihr wahres Leben nicht leben konnten, weil sie Angst um ihre Karriere, ihre Familienbeziehungen und manchmal sogar um ihre Sicherheit hatten. Diese Erfahrungen haben mich tief berührt, und ich bin immer stolz darauf, die LGBTIQ-Gemeinschaft zu unterstützen.
Diese Verbindung entspringt unserer Überzeugung, dass jeder Mensch es verdient, sein wahres Ich zu leben und für das, was er ist, gefeiert zu werden. Als Künstler*innen fühlen wir uns dafür verantwortlich, unsere Plattform zu nutzen, um uns für positive Veränderungen einzusetzen und einen sicheren, inklusiven Raum für alle zu schaffen. Mit unserer Musik und unseren Aktionen wollen wir die queere Gemeinschaft so gut wie möglich unterstützen.
Auf welchen Pride-Events werdet ihr als nächstes spielen? Dieses Jahr hat Koikoi nur wenig Zeit zum Touren, da wir uns auf die Vorbereitung unseres zweiten Albums konzentrieren, und wir haben noch keinen Anschluss an das internationale Pride-Netzwerk von Veranstaltungen gefunden.
Nächstes Jahr wollen wir uns voll und ganz den Live-Auftritten widmen und würden gerne an weiteren Pride-Veranstaltungen teilnehmen, aber auch an anderen in der Region und in ganz Europa. Das ist auf jeden Fall etwas, das wir uns vormerken und auf die Aufgabenliste unseres Managers setzen müssen!
Euer «Putem Mimoza»-Video ist eine Art Kurzfilm über verbotene queere Liebe, der während eines bekannten serbischen Brauchs namens «Poklade» spielt, bei dem die Dorfbewohner*innen «weisse Nächte» feiern und Masken tragen. Was für Reaktionen habt Ihr erhalten? Nicht nur positive vermutlich. Es macht uns wirklich Spass, Musikvideos zu drehen, und wir pflegen eine Gemeinschaft von Künstler*innen, mit denen wir zusammenarbeiten. Meine Kolleg*innen von der Fakultät für Schauspielkunst in Belgrad und ich haben während unserer Studienzeit gerne zusammengearbeitet, und die Produktion von Koikoi-Musikvideos bringt uns immer wieder zu diesen Gefühlen (und Produktionsbedingungen) zurück.
Der Song «Putem Mimoza»(Der Weg der Mimoza) basiert auf dem Mythos der verbotenen Liebe, und als wir das Konzept mit dem Regisseur Rasko Miljković, dem Kameramann Nemanja Veselinović und dem Drehbuchautor Boris Grgurović besprachen, lag es nahe, diese Gelegenheit zu nutzen, um eine wichtige Geschichte über queere Liebe in Serbien zu erzählen, damals und heute.
Leider hat sich am öffentlichen Diskurs und der Akzeptanz der queeren Gemeinschaft in Serbien nicht viel geändert. Man hat das Gefühl, dass ein Interesse daran besteht, eine sehr traditionelle Gesellschaft aufrechtzuerhalten, die Hass und Gewalt begünstigt. Kurz bevor wir das Video drehten, wurde uns klar, dass dies das erste Mal war, dass gleichgeschlechtliche Liebesszenen auf diese Weise in serbischen Filmen gezeigt wurden.
Unsere Freund*innen von LGBTIQ-Organisationen warnten uns, dass wir mit radikalen Reaktionen rechnen müssten, und so waren wir von den Reaktionen, die wir erhielten, nicht überrascht. Die Medien nutzten die Gelegenheit für Clickbait, indem sie das Video als «heisses schwules» Video zweier Schauspieler bezeichneten.
Die Kommentare in den sozialen Medien reichten von Drohungen bis hin zu Dankbarkeit dafür, dass wir ein Video wie dieses gemacht haben. Private Nachrichten von Mitgliedern der queeren Community sowie von Mitgliedern der Filmwelt, die über unseren Mut erstaunt waren, haben uns tief bewegt. Wir haben beschlossen, die Hasskommentare zu löschen, da sie nicht zu all der Liebe und Unterstützung passen, die wir erhalten haben.
Serbien möchte Teil der Europäischen Union werden. Was denkst du über Europa? Serbien gehört zweifelsohne zum europäischen Kulturraum, zusammen mit den Menschen in Europa. Die Frage der EU-Mitgliedschaft erfordert jedoch ein hohes Mass an analytischem und politischem Sachverstand.
Nach den letzten Wahlen in Serbien hatten wir mit einer stärkeren Unterstützung durch die EU-Institutionen gerechnet, da wir mit einem manipulierten Prozess mit vielen Rechtsverstössen konfrontiert waren.
Ich weiss, dass die EU uns nicht retten kann, aber wir hatten gehofft, dass sie nach den Ereignissen nicht mehr so mit dem autokratischen Regime Serbiens zusammenarbeiten würde. Das hinterlässt einen bitteren Beigeschmack.
Obwohl wir viele kulturelle und historische Bindungen mit Europa teilen, kann die politische Dynamik ziemlich entmutigend sein. Dennoch bleiben wir hoffnungsvoll für eine Zukunft, in der Serbien und die Welt sich wirklich an den Grundsätzen der Gleichheit, Solidarität, Empathie und Liebe orientieren können. – koikoiband.com
In Europa schreiben wir dem Coming-out eine grosse Bedeutung zu und erachten es sogar als notwendiges Mittel, um frei und selbstbestimmt leben zu können. In Asien, wo vieles der Gemeinschaft untergeordnet wird, hat die eigene Identität oft das Nachsehen. Ein Essay (MANNSCHAFT+).
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