«In Russland wird es lange sehr dunkel bleiben»

LGBTIQ sind die Sündenböcke eines kriegführenden Regimes im Kreml, meint unser Autor

Bild: Unsplash, Michael Parulava
Bild: Unsplash, Michael Parulava

Russland stuft die «Inter­natio­nale LGBT-Be­wegung» als Terror­gruppe ein. Längst sind etliche queere Organisationen ins Ausland geflüchtet. Dazu der Kommentar*.

Die russische Einstufung der «inter­natio­nalen LGBT-Be­wegung» als terroristisch ist vage formuliert und kann entsprechend vielfältig angewendet werden (MANNSCHAFT berichtete).



Kürzlich wurde erstmals ein Strafverfahren gegen die «internationale LGBT-Bewegung» eröffnet, in Orenburg, 1200 Kilometer südöstlich von Moskau. Angeklagt sind ein künstlerischer Leiter eines bei unseren Leuten dort beliebten Klubs namens «Pose». Wie das Verfahren ist so wenig offen, wie das Wort «Anklage» sagt: Eine Verurteilung ist wahrscheinlich, und selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, wäre der Klub, wären seine Eigentümer in der russischen Gesellschaft beschädigt, das, was sie anbieten, nämlich queeres Leben, dämonisiert.

Aber das alles ist kein Wunder, denn im russischen Regime Wladimir Putins gehören Menschen wie wir zu den wichtigsten Hass- und Aversionsobjekten. «Gayropa» repräsentierten wir, heisst es, und Russland solle nicht verschwult, verlesbelt, verqueert werden. In Wahrheit sind wir die Sündenböcke eines kriegführenden Regimes im Kreml. Und das wiederum gemahnt uns an den 17. Mai, den alljährlichen Tag gegen Queerphobie: Dies würde in Russland als skandalös empfunden.

In Russland und Belarus und zahlreichen anderen Staaten der Welt sind LGBTIQ wie wir von Strafverfolgung bedroht – und aktuell wäre jede Forderung, dass es dort eine queere Bewegung geben solle, eine witzlose. Russland (und eben Belarus) sind Staaten mit geringer demokratischer Tradition, inzwischen sind sie militärisch-security-dauerbedrohte Länder, die vor allem gegen die eigene Bevölkerung auch Krieg führen, sofern sie sich den Wünschen der politischen Führungen widersetzen.

Zur Not, das wissen wir aus den Nachrichten, hilft das Regime Putins mit Giftanschlägen und in Flugzeugen drapierten Bomben nach, um entsprechende Einschüchterungswirkungen zu erzielen.



Das kann natürlich alles mal wieder besser werden, aber dafür müssen politische Voraussetzungen geschaffen werden, etwa, dass nicht mehr Putin Präsident bleibt, dass der Krieg gegen die Ukraine beendet wird, dass die Bombardements gegen ein sich europäisierendes Land wie eben die Ukraine eingestellt werden.

Queere Menschen in Russland wissen, dass sie täglich bedroht sind, dass sie Objekte der Ächtung sind. Wer gegen die neuen LGBTIQ-feindlichen Gesetze aufmuckt, sitzt schneller dort im Knast als ein politischer Dissident, etwa wie der kürzlich in einer Gulag eingesperrte und zu Tode gekommene Alexej Nawalny.

Der erste LGBTIQ-Prozess in Russland – er schwärzt unsere internationale Geschicht ein. Nach der dunklen Nacht kann es wieder hell werden. Wir leben im bislang hellstmöglichen. In Russland wird es lange sehr dunkel bleiben.

*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

«Sind wir nicht alle ein bisschen kinky?» – Nora und Daniela leben seit zwei Jahren in einer Dom/Sub-Liebesbeziehung. Mit MANNSCHAFT+ sprechen sie über die Lust an der Kontrolle und der Unterwerfung und die «drei Säulen» von BDSM.

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