Musik
«Girl Violence»: King Princess über Liebe, Wut und queere Power
Alternative-Pop-Jungikone Mikaela Straus alias King Princess beschäftigt sich auf ihrem dritten Album «Girl Violence» mit dem richtigen Rezept gegen männlichen Hass.
Das Pop-Album ist faszinierend, sexy, lüstern, hart, zärtlich und nicht immer einfach – aber King Princess verliert, die in Songs wie «RIP KP» den Herzschmerz nach einer Trennung zu verarbeiten versucht, in keinem Moment ihren Humor. Wir sprachen mit der 26-jährigen Künstlerin über Zoom, die übrigens auch als Schauspielerin tätig ist und zu unseren top 10 Shooting Stars 2025 zählt.
King Princess, nach Jahren in Los Angeles bist du unlängst zurück in deine alte Heimat nach Brooklyn gezogen. Ist es noch dasselbe Brooklyn wie jenes, in dem du aufgewachsen bist? King Princess: Nein, gerade mein Viertel, Williamsburg, verändert sich von Tag zu Tag. Als ich klein war, war hier noch überhaupt nichts los. Das ganze Viertel war ein reines Wohngebiet – sehr ruhig, ein bisschen langweilig. Dann kamen die Hipster und die Städter aus Manhattan. Seitdem machen Bars und Läden auf, wieder zu, manche halten sich sogar, neue Hochhäuser werden gebaut, teurer wird sowieso alles.
Und trotzdem? Bleibt es irgendwie mein Brooklyn. Schon allein, weil Brooklyn nicht Manhattan ist und auch nicht Manhattan sein möchte. Wenn wir sagen, wir gehen in die Stadt, dann meinen wir Manhattan. Williamsburg insbesondere wirkt immer noch wie eine Kleinstadt. Ich muss nur aus dem Fenster gucken und ich sehe die Bäume. Es liegt ein anderes Gefühl in der Luft – ein etwas entspannteres, cooleres. Das merken auch die Tiere. Im Park bei mir um die Ecke leben drei Rotrückenbussarde, das sind wirklich imposante Vögel. Ich war neulich im Kino und habe mir «Jurassic Park» angeguckt. Ich muss an ein Zitat aus dem Film denken: «Die Natur findet immer einen Weg». Das ist so wahr.
Taugt der Film was? Ich finde schon, ich liebe aber eh die ganze Reihe. Dinosaurier sind in Ordnung. Sie sind wie meine Hündin, die ein bisschen aussieht wie ein kleiner Velociraptor. Bloss ist sie völlig ungefährlich und zumindest bisher alles andere als tödlich (lacht).
Dein neues Album heisst «Girl Violence». Gemeint ist vermutlich nicht die Gewalt, die potenziell von saurierähnlichen Hündinnen ausgehen könntet? (Lacht.) Nein, dieses Tier ist sogar zu lieb und sanft zum Bellen. «Girl Violence» könnte der Oberbegriff meiner kompletten bisherigen Arbeit sein. Es geht um die Schlacht, die in meinem Herzen tobt, vor allem seit der Trennung von meiner Partnerin und meinem Neuanfang in der alten Heimat. Aber auch um einen Kontrapunkt in dieser so maskulinen, barbarischen, bösen Welt. Die Männer führen die Kriege, aber ihre Gewalt ist stumpf und tumb. Sie kennen keine andere Strategie, als immerzu ihre physische Dominanz zur Schau zu stellen. Frauen kämpfen schlauer, gewiefter und mit mehr Sexappeal. Ihre Gewalt kann negative, aber auch positive Auswirkungen haben.
So wie im sehr queeren und sehr freizügigen Video zu «RIP KP». Mein Ziel war, den Raum zwischen Himmel und geiler, queerer Hölle auszuleuchten, diesen verruchten, grellen und fröhlichen Ort. Und wo würde das hotter aussehen als auf dem Klo eines allumarmenden Stripclubs? Nirgends!
Warum «RIP KP»? Musstest du dich selbst zu Grabe tragen? Ich finde schon. Das neue Album ist für mich eine Form von Wiedergeburt. Ich wollte es auf einem sauberen, unbenutzten Teller servieren. Mich häuten, sterben und wiederkommen. Sehr stark wiederkommen. Musikalisch ist das Album ganz schön wütend und brachial, in weiten Teilen auch aggressiv und in jedem Fall weniger melancholisch als es bislang bei mir üblich war.
«Ich habe an manchen Tagen geheult wie bekloppt, aber das hat mich nur selbstsicherer und stärker gemacht.»
King Princess
«Girl Violence» klingt fast wie eine Selbstreinigung. Hast du das Album gerne gemacht?Oh ja. Ich liebe es, nicht nur Songs, sondern komplette, zusammenhängende, irgendeinen Sinn ergebende Alben anzufertigen. Ich bin beim Schreiben ganz ehrlich, so als würde ich diese Geschichten meinen Freund*innen erzählen. Von daher war es für mich das leichteste Album, das ich bislang gemacht habe. Ich habe an manchen Tagen geheult wie bekloppt, aber das hat mich nur selbstsicherer und stärker gemacht. Ich meine, mal nüchtern betrachtet, was ist schon passiert? Mein Herz wurde gebrochen, ich bin umgezogen, verarbeite ein paar Traumata und fange wieder frisch an zu leben. Ich habe weder meine Gesundheit verloren noch meinen Sinn für Humor, auf den ich mir sehr viel einbilde übrigens (lacht).
Politisch scheint manche sexuelle Freiheit wieder in Gefahr zu sein. Wie reagierst du darauf? Mit Subversivität und dunklem Witz sowie dem Wissen, dass wir schon schlimmere Zeiten durchgemacht haben – man denke an das Massensterben schwuler Männer an Aids in den Achtziger- und Neunzigerjahren. New York war die Hölle damals, das Leben im buchstäblichen Sinne bedroht. Dazu gesellte sich die Regierung des damaligen Präsidenten Ronald Reagan, die den Schwulen praktisch selbst die Schuld an ihrem Sterben zuschob. Soweit sind wir heute noch nicht. Ich glaube auch, du wirst die LGBTIQ-Gemeinde heute nicht mehr durch politische Ausgrenzungsversuche an den Rand drängen können. Wir sind einfach viel zu viele. Du wirst uns nicht mehr los. Die Dinosaurier sind ausgestorben, aber die queeren Menschen werden stehenbleiben und irgendwann die Weltherrschaft übernehmen (lacht).
Du bist neuerdings auch Schauspielerin, warst neben Nicole Kidman in der Serie «Nine Perfect Strangers» zu sehen und agierst in «Song Sung Blue» (ab 25.12. im Kino) zusammen mit Hugh Jackman und Kate Hudson. Wie war die Dreharbeit? Göttlich. Der Film handelt von hart arbeitenden Menschen im Wisconsin der Neunzigerjahre, die Musik machen – nicht, um reich und berühmt zu werden, sondern weil sie es müssen, um glücklich zu sein. Und Hugh ist definitiv der netteste Mann auf Erden, ein Engel.
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