Salzkammergut: Queeres Leben in der Alpenregion
LGBTIQ-Botschafter ist Tom Neuwirth alias Conchita Wurst
Im Salzkammergut soll es anlässlich der europäischen Kulturhauptstadt in diesem Jahr erstmals eine Pride geben.
Das Salzkammergut ist in Österreich eine beliebte Destination für Tourist*innen und wurde 2024 zur europäischen Kulturhauptstadt ausgewählt. Dabei wird es auch einen umfangreichen queeren Schwerpunkt geben. MANNSCHAFT hat sich dazu bei den Iniator*innen des Projekts erkundigt.
Der queere Botschafter der Region ist Tom Neuwirth alias Conchita Wurst, der im Salzkammergut geboren ist (MANNSCHAFT berichtete). Neuwirth will mithelfen, dass dort sexuelle und geschlechtliche Vielfalt keine Tabuthemen mehr sind. Denn die Gegend ist ländlich geprägt. Bislang gab es in der Region keine queere Organisationen, Vereine und Lokale. Dies führte dazu, dass junge queere Menschen auswanderten und meist in grössere Städte wie Salzburg, Linz, Wien und München zogen.
Leben auf dem Dorf Auch Neuwirth, der im elterlichen Gasthaus in Bad Mitterndorf aufgewachsen ist, empfand das Leben auf dem Dorf als Einengung. Er zog zuerst nach Graz und dann nach Wien. Nun macht er beim Projekt europäische Kulturhauptstadt mit. Daran beteiligen sich 23 Gemeinden im Salzkammergut. Das ganze Jahr hindurch wird es zahlreiche Veranstaltungen, Aktionen und Ausstellungen geben.
Im Mittelpunkt der Kulturhauptstadt steht Bad Ischl, wo sich mit der Kaiservilla die frühere Sommerresidenz von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth (Sisi) befindet. Die Initiator*innen der Kulturhauptstadt setzen aber nicht auf Brauchtum und Traditionspflege, sondern sie wollen frischen Wind in die Gegend bringen. Das ist auch notwendig.
Die Abgeschiedenheit zwischen Gebirgsketten wie dem Dachstein-Massiv und idyllischen Seen haben dazu geführt, dass den im Salzkammergut lebenden Menschen eine besondere Sturheit und ein Hang zum Konservativen nachgesagt wird. Dies machte sich auch bei der Eröffnungsveranstaltung zur Kulturhauptstadt im Jänner 2024 in Bad Ischl bemerkbar. Damals traten unter anderem Conchita Wurst auf. Auch ein «Pudertanz» mit nackten Tänzern stand auf dem Programm.
Welle der Empörung Dies sorgte in der Region für eine Welle der Empörung. In einem Leserbrief an die Kleine Zeitung schrieb eine Frau: «Mein Grossvater erlebte zwei Weltkriege und starb mit 96 Jahren 2002. Was würde er heute dazu sagen, wenn er in der Zeitung von nackten, tanzenden, bei Minusgraden ihre Ärsche pudernden Menschen und von einem Mann, als Prinzessin mit Bart seine Arie singend, lesen würde? Kulturhauptstadt?»
Eine andere Person schrieb an die Kleine Zeitung: «Weil diesen ‹Künstlern› nichts Geschmackvolles einfällt, verblüffen völlig nackte ‹Manderln, Weiberln› und Diverse bei der Eröffnung der EU-Kulturhauptstadt 2024 in Bad Ischl Zuseher mit einem ‹Pudertanz›. Eine Seelenverwandtschaft zu den Schweinereien von 1968 von Otto Mühl und Co. Mit diesem sinnlosen Spektakel soll ‹Kunst› offenbar neu interpretiert werden. Der Verlust unserer traditionellen Werte kann ebenso wie beim römischen Reich zu unserem Untergang beitragen.»
Doch die Initiator*innen lassen sich davon nicht beirren. Denn es gehört zu den Plänen der Kulturhauptstadt, dass Diversität und queere Menschen in der Region unterstützt werden sollen. Dazu wurde das Projekt «Salzkammerqueer – queere Communities im ländlichen Raum» ins Leben gerufen. Ziel ist es, eine queere Community im Salzkammergut zu etablieren. Dazu soll es verschiedene Veranstaltungen und regelmässige Treffen an wechselnden Orten im Salzkammergut geben.
«Trotz zunehmender Sichtbarkeit und Abnahme klischeehafter Repräsentationen queerer Charaktere in Kino und Fernsehproduktionen, finden sich LGBTIQ in ihrem Alltag immer noch mit teils offen, teils unterschwellig ausgedrückten Vorbehalten und Zurückweisungen konfrontiert», betonen die Menschen von Salzkammerqueer. Das soll sich mit der Initiative ändern.
«Im Rahmen unseres Projektes wird der Grundstein für eine Community gelegt, die sich über das Kulturhauptstadt-Jahr hinaus weiterentwickeln und institutionalisieren soll», so Birgit Hofstätter von Salzkammerqueer gegenüber MANNSCHAFT. «Beim Community Building sind wir im vergangenen Jahr von Community Building Austria begleitet worden, die mit uns eine Community Strategie erarbeitet haben. Es hat sich im Lauf dieser Arbeit eine kleine und sehr diverse Gruppe gefunden. Damit die Community zusammenwächst und auch mehr Leute noch zu uns finden, veranstalten wir regelmässige Community Abende und andere gemeinsame Aktivitäten», so Hofstätter.
Vielfalt der Community Geplant sei unter anderem ein Videoprojekt, in dem queeres Leben im Salzkammergut, aber auch die Vielfalt der Community dargestellt werden soll. «Wir möchten auch eine Pride für das Salzkammergut organisieren, die heuer zum ersten Mal stattfinden soll», sagt Hofstätter.
Darüber hinaus soll es auch Informationsangebote für die Öffentlichkeit geben. Im vergangenen Jahr wurde ein «Pride Picknick» in Ebensee organisiert. Es gab auch eine Lesung von Jürgen Pettinger mit seinem Buch «Dorothea» (MANNSCHAFT berichtete).
Weiters haben die Menschen von Salzkammerqueer im Vorjahr für das Kunstfestival «Perspektiven» in Attersee eine Dialog-Veranstaltung organisiert und sich beim Momentum-Kongress in Hallstatt eingebracht. Dieses Jahr soll es laut Hofstätter eine Veranstaltung für Pädagog*innen geben, eine Aktion zum IDAHOBIT (Internationaler Tag gegen Homophobie, Biphobie, Interphobie und Transphobie).
Geplant ist auch ein Infoabend mit Vimö (Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich). Zudem wollen die Menschen von Salzkammerqueer ihre Videos bei einem Kurzfilmfestival präsentieren und eine queere polnische Fotografin wird eine Ausstellung in der Region machen.
Neuwirth wird im Rahmen der Kulturhauptstadt ebenfalls wieder im Salzkammergut auftreten. So wird er im Sommer dort sein Varietéprogramm «Frau Thomas und Herr Martin» präsentieren.
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