Erste Doku über Verfolgung in Tschetschenien

Mit einer neuen Technik schützt der Film die Identität der Betroffenen

«Welcome to Chechnya» zeigt Verfolgte Tschetschenen auf der Flucht. (Bild: Public Square Films)
«Welcome to Chechnya» zeigt Verfolgte Tschetschenen auf der Flucht. (Bild: Public Square Films)

Mit riskanten Rettungsaktionen schleusen Aktivist*innen verfolgte Menschen aus Tschetschenien. Der neue Dokumentarfilm «Welcome to Chechnya» feiert an der Berlinale Europapremiere.

Seit 2017 sorgt die staatliche Verfolgung von Schwulen, Lesben und Bisexuellen in Tschetschenien immer wieder für Schlagzeilen. In illegalen Haftanstalten foltern Behörden Mitglieder der Community mit Elektroschocks und Schlägen und zwingen sie, weitere Bekannte zu outen. Einigen gelingt die Flucht, andere fallen sogenannten «Ehrenmorden» zum Opfer – ausgeführt von der eigenen Familie (MANNSCHAFT berichtete).

«Welcome to Chechnya» ist die erste Doku über die unerschrockenen Aktivist*innen vor Ort, die verfolgte LGBTIQ-Personen aus Tschetschenien retten. Der Film beginnt mit David Isteew vom russischen LGBT Network, der einen dringenden Anruf entgegennimmt.

Eine 21-jährige Lesbe meldet sich, die von ihrem Onkel bedroht wird. Entweder sie hat Sex mit ihm oder er outet sie bei der ganzen Familie. Ein Outing könnte für die junge Frau tödlich enden, ist ihr Vater doch ein hohes Tier in der tschetschenischen Regierung. Dem Publikum wird schnell bewusst, dass es für lesbische Frauen in Tschetschenien zwei Möglichkeiten gibt: Vergewaltigung oder Tod.

Erneut brutale Verfolgungen in Tschetschenien

Eine weitere Figur im Film ist ein 30-jähriger Russe, der das Pseudonym «Grischa» erhält. Nachdem tschetschenische Behörden ihn verhaftet und gefoltert hatten, realisieren sie, dass er als Russe das Land verlassen und öffentlich über das Geschehene berichten kann. Grischa wird so zu einer noch grösseren Zielscheibe: Seine ganze Familie muss untertauchen. Einer der wenigen schönen Momente des Films ist die Wiedervereinigung von Grischa mit seinem Freund sowie die Flucht in ein europäisches Land.

Um die Identität seiner Charaktere zu wahren, setzte Regisseur David France eine im Film noch nie angewandte Technik ein: die digitale Gesichtstransplantation. Die per Mimik ausgedrückten Emotionen bleiben so erhalten, die Protagonist*innen werden hingegen unkenntlich.

Nachdem Grischa an einer Pressekonferenz seine wahre Identität preisgibt, lässt France den digitalen Effekt verschwinden – das «echte» Gesicht von Grischa offenbart sich. Für das Publikum wird einerseits die technischen Möglichkeiten des heutigen Filmschaffens sichtbar, andererseits aber auch die mühsame Arbeit, die France auf sich genommen hat, um die Identität seiner Protagonist*innen zu schützen.

Neue Verhaftungswelle von LGBTIQ in Tschetschenien

Die Doku feiert am 26. Februar im Rahmen der Berlinale Europapremiere und ist an insgesamt vier Vorstellungen zu sehen. Wann der Film anschliessend in die Kinos kommt, ist noch nicht bekannt.

 

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