Dragqueens im Mainstream: Jetzt meldet sich auch «Viva la Diva» zurück
RTL strahlt im Juni zwei neue Folgen aus
Früher Underground, heute Unterhaltung für Millionen: Dragqueens kommen gut an. Das zeigen «RuPaul’s Drag Race» oder neulich der Film «Meine Freundin Volker». Jetzt kehrt auch die RTL-Show «Viva la Diva – Wer ist die Queen?» zurück.
Von Gregor Tholl, dpa
Spätestens als vor zehn Jahren Olivia Jones im Finale des Dschungelcamps landete und ein Jahr später Conchita Wurst den Eurovision Song Contest gewann, wurde klar, dass auch hierzulande Dragqueens bei Millionen auf Sympathie stossen. Seitdem wurde deren Kunst, die früher vor allem in der schwulen Subkultur gefeiert wurde, immer massentauglicher.
Am Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (17. Mai) feierte jüngst auch die ARD mit der Komödie «Meine Freundin Volker» einen Quotenhit. Darin mimte «Tatort»-Star Axel Milberg die Figur Volker alias Szene-Star Vivian Bernaise (MANNSCHAFT berichtete).
RTL setzt jetzt (2.6.) – nach dem Erfolg im vergangenen Jahr – die Promi-Ratesendung «Viva la Diva – Wer ist die Queen?» fort. In der Show, bei der unter anderem Olivia Jones und Jorge González im Rateteam sitzen und in der Fachjury die Dragqueens Danny Ma Fanny, Laila Licious, Bambi Mercury, Catherrine Leclery und Pam Pengco, brezeln sich Prominente als «Ladys» auf.
Wer es diesmal ist, bleibe bis zur Ausstrahlung ein Geheimnis, betont RTL. Ansatzpunkte könnten im Namen, Kostüm, in der Farb- oder Musikauswahl versteckt sein.
«Wir werden nackt geboren, und der Rest ist Fummel» Der Streamingdienst Paramount+ hat derweil einen deutschen Ableger der international erfolgreichen Reality-TV-Show «RuPaul’s Drag Race» angekündigt, die noch in diesem Jahr starten soll.
«Wir werden nackt geboren, und der Rest ist Fummel» (We’re born naked, and the rest is drag) – dieser Satz stammt von Weltstar Ru Paul. Der heute 62-Jährige wollte damit einst wohl die kulturelle Bedingtheit von Geschlechtererscheinungsbildern beschreiben.
Als «Drag Queens» bezeichnen sich Personen, die meist eine «männliche» Identität haben, oft schwul/queer sind, aber eben Kleidung anlegen, die nach heterosexueller Norm fürs «weibliche» Geschlecht vorgesehen ist. Das Pendant zu Dragqueens sind (vielfach in der Lesben-Kultur beheimatete) «Drag Kings».
Super neu ist das alles keineswegs, aber frühere Begriffe wie Travestie und Travestiekunst klingen heute altmodisch. In Deutschland war schon in den 1980er Jahren das Duo Mary & Gordy bekannt, später wurde Lilo Wanders zur TV-Prominenten. In der Kleinkunstszene sind Georgette Dee, Ades Zabel und viele andere Künstler*innen ein Begriff.
Fundamentalistischer Diskurs International sind Dragqueens aus Show und Film sowieso nicht wegzudenken, man denke an Divine (1945-1988), Dame Edna (den kürzlich mit 89 gestorbenen Schauspieler Barry Humphries – MANNSCHAFT berichtete) und eben RuPaul.
Erst kürzlich gab es dennoch eine hitzige Debatte über Dragqueens – wegen einer geplanten Lesung für Kinder ab vier Jahren in einer Stadtteilbibliothek in München. Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger von den Freien Wählern behauptete, dies sei «Kindeswohlgefährdung und ein Fall fürs Jugendamt, keine Weltoffenheit wie es die Grünen verharmlosen» (MANNSCHAFT berichtete).
Damit schwappt offenbar der fundamentalistische Diskurs von Amerika nach Deutschland, dass Dragqueens eine Gefahr für Kinder und Jugendliche seien. In den USA hat jüngst der von den Republikanern dominierte Staat Tennessee Drag-Shows im öffentlichen Raum und überall in Anwesenheit von Personen unter 18 Jahren verboten.
Das Gesetz definiert seit April solche Aufführungen unter «Oben-ohne-Tänzer, Go-Go-Tänzer, exotische Tänzer, Stripperinnen, männliche oder weibliche Imitatoren, die Unterhaltung bieten, die ein lüsternes Interesse anspricht». Ähnliches planen Staaten wie Arizona, Idaho, Kansas, Kentucky, Oklahoma, South Carolina und Texas (MANNSCHAFT berichtete).
Vorwurf: Frauenfeinlichkeit Dragqueen-Kultur ist traditionell mit frivolen Witzen, toupierten Perücken, Pailletten, glamourösen Kostümen, viel Schminke sowie Playback und Imitation von Idolen wie Cher, Madonna, Donna Summer, Lady Gaga oder auch Marlene Dietrich und Judy Garland verbunden.
Manche empfinden Dragqueens als frauenfeindlich, weil sie Weiblichkeit oft mit Zickigkeit und völlig übertriebenen Verhaltensweisen darstellen. Dragqueens selbst betonen oft ihre (gesellschafts-)politischen Absichten. Sie grenzen sich zudem von Transvestiten ab, die sich aus Fetisch-Gründen in «Fummel» werfen.
Ganz kompliziert für einige wird es dann, wenn es darum geht, würdevoll über das eigentlich völlig anders gelagerte Thema der Transidentität zu sprechen. Identität, geschlechtsspezifische visuelle Codes, die Frage der sozial konstruierten Geschlechtlichkeit überhaupt – das alles erscheint heute oft als vermintes Gelände (MANNSCHAFT berichtete).
Umso erstaunlicher ist es, dass eine Fernsehshow wie «Viva la Diva» zu den grossen TV-Überraschungen des vergangenen Jahres gehörte. Im Herbst erhielt RTL für die Sendung einen Deutschen Fernsehpreis.
Zwei neue Folgen strahlt der Privatsender jetzt am 2. und 9. Juni aus.
«Riverdale»-Star KJ Apa bekannte, er würde gern bei RuPaul’s Drag Race mitmachen (MANNSCHAFT berichtete).
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