Der Nationalrat beschliesst eine volle Ehe für alle!

Der Entscheid fiel mit 132 zu 52 Stimmen bei 13 Enthaltungen

Bild: AdobeStock
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Eine gleichwertige Lösung für alle Paare: Der Nationalrat beschliesst die Ehe für alle inklusive Familienrecht und Zugang zur Fortpflanzungsmedizin für lesbische und bisexuelle Frauenpaare.

Mit 132 zu 52 Stimmen sprach sich eine Mehrheit des Nationalrats für eine volle Ehe für alle aus. Somit sollen auch Regenbogenfamilien rechtlich abgesichert werden und verheiratete Frauen erhalten den gleichen Zugang zur Fortpflanzungsmedizin wie heterosexuelle Paare. Damit geht der Nationalrat weiter als der Bundesrat und die vorberatende Kommission, die eine Eheöffnung in mehreren Schritten den Vorzug gaben. Nun muss auch der Ständerat die Vorlage absegnen.

LGBTIQ-Aktivist*innen suchten bis vor Beginn der Beratungen vor einer Woche das persönliche Gespräch mit den Nationalrät*innen. In den vergangenen Tagen hatten Pink Cross und LOS Bilder von gleichgeschlechtlichen Paaren geteilt, die sich für eine gleichwertige Lösung für alle Paare einsetzten (MANNSCHAFT berichtete).

«Es ist wichtig, dass Kinder von Regenbogenfamilien von Anfang an rechtlich gut abgesichert sind. Der Nationalrat hat sich für die einzig gerechte und konsequente Lösung entschieden, die alle Paare wirklich gleich stellt», stellt Jan Müller vom Komitee «Ehe für alle» erleichtert fest.

ehe fuer alle
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Bundesrat wollte weniger weit gehen

Justizministerin Karin-Keller Sutter bestätigte in ihrer Rede vor der Abstimmung, dass eine Verfassungsrevision für die Eheöffnung aus Sicht des Bundesrats nicht nötig sei. Der Bundesrat begrüsse es, dass die heutige Ungleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren beseitigt werde.

Sie bekräftigte jedoch die Position des Bundesrats für die «Ehe Light». «Ich will klarstellen, dass sich der Bundesrat nicht gegen die gleichgeschlechtliche Elternschaft stellt», sagte sie. Vielmehr wolle der Bundesrat zuerst gründlich die Folgefragen prüfen. Die Ehe mit ihren Rechten und Pflichten solle in Etappen eingeführt werden.

Der politische Weg der Ehe für alle ist lang. Im Dezember 2013 hatte GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy die parlamentarische Initiative erstmals eingereicht, die zwei Jahre später überwiesen wurde. Nachdem die Rechtskommission des Nationalrats im Februar 2019 zwei Vorlagen ausgearbeitet hatte, beschloss der Nationalrat im Juni 2019 eine Fristverlängerung von zwei Jahren. Ein von Pink Cross in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kam zum Schluss, dass für den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin keine Verfassungsänderung nötig ist (MANNSCHAFT berichtete).

«Es sind keine neuen Rechte, sondern die gleichen, die schon gelten – sie sollen nur für alle gelten», sagte Bertschy in ihrem Votum am 3. Juni. Die Schweiz sei ein Land, dass sich gerne auf seine Innovationskraft berufe. Trotzdem tue sie sich schwer mit gesellschaftspolitischen Reformen.

«Sechseinhalb Jahre ist es her, dass ich die parlamentarische Initiative eingereicht habe. Das ist eine lange Zeit. Es dämpft die grosse Freude darüber, dass wir endlich diesen Gesetzesentwurf beraten können.»

Das soll sich nun ändern. Auf Initiative der Grünliberalen steht im Nationalrat eine Änderung des Eherechts auf der Traktandenliste. Im Wesentlichen wird damit die Ehefähigkeit unabhängig vom Geschlecht formuliert – rechtstechnisch eine kleine Änderung, aber mit grosser gesellschaftspolitischer Wirkung.

SVP und Teile der CVP hatten  auf ein Nichteintreten plädiert. Zuerst müsse der Ehebegriff auf Verfassungsebene geklärt werden, so SVP-Nationalrat Pirmin Schwander. Vertreter*innen beider Parteien wollten die Ehe für Mann und Frau vorbehalten, zudem stellten sie das Wohl der Kinder homosexueller Paare in Frage. Allerdings ohne Erfolg: Die Befürworter*innen waren im Nationalrat klar in der Mehrheit.

Kommt die Ehe vors Volk?

Die Änderung des Eherechts auf Gesetzesebende ist rechtstechnisch gesehen eine kleine Änderung und erfordert keine Verfassungsänderung – somit auch keinen Volksentscheid. Sollte nach der Annahme im Ständerat ein Referendum zustande kommen, hätten die Stimmbürger*innen trotzdem das letzte Wort.

Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gäbe es keine neuen eingetragenen Partnerschaften, schreibt die SDA in einer Medienmitteilung. «Paare, die bereits in eingetragener Partnerschaft leben, sollen das aber weiterhin tun dürfen. Für sie gelten andere Bestimmungen als für Eheleute.» Jedoch soll die Möglichkeite bestehen, die Partnerschaft in eine Ehe umzuwandeln.

Die Abstimmung im Nationalrat hätte bereits am  3. Juni 2020 stattfinden sollen, wurde jedoch aus Zeitgründen verschoben (MANNSCHAFT berichtete). Es war die zweite Verschiebung nachdem der erste Termin im März aufgrund der ausserordentlichen Lage rund um das Coronavirus ausgefallen war. «Die Ehe für alle ist überfällig», sagte Bertschy damals gegenüber MANNSCHAFT. «Und es ist beelendend zu sehen, wie lange es dauert, bis die Schweiz endlich gleiche Rechte für alle schafft.»

Weitere Infos zur Eheöffnung führt Pink Cross auf ihrer Website auf, unter anderem auch die Ergebnisse der jüngsten repräsentiven Umfrage. Dort sprechen sich 66% für eine volle Ehe für alle aus, inklusive Zugang zur Fortpflanzungsmedizin.

 

 

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