Uganda und der Mythos der «unafrikanischen Homosexualität»

Die Ächtung gleichgeschlechtlicher Beziehungen kam erst mit dem Kolonialismus nach Afrika

Symbolbild: AdobeStock
Symbolbild: AdobeStock

Homophobe Politiker*innen bezeichnen Homosexualität oft als «unafrikanisch». Das widerspricht der Geschichte: Gleichgeschlechtlicher Sex war in vielen ethnischen Gruppierungen Afrikas tief verwurzelt.

Alles hängt von einer Unterschrift ab: Die Community in Uganda hofft, dass Präsident Yoweri Museveni das kürzlich verabschiedete Anti-LGBTIQ-Gesetz (MANNSCHAFT berichtete) nicht unterzeichnet oder es zumindest mit der Forderung nach Abschwächung zurück ins Parlament schickt.

Ugandas Community sucht Hilfe Doch bereits jetzt hat der homophobe Diskurs drastische Auswirkungen auf das Leben der LGBTIQ-Menschen in Uganda. «Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht höre, dass jemand von einem Mob angegriffen wurde», schreibt uns Aktivist Iga Isma von Happy Family Youth Uganda. In einer «Welle der moralischen Panik», die das Land überrolle, würden LGBTIQ-Menschen verprügelt, gelyncht, vergewaltigt und aus ihren Häusern vertrieben.

Die Botschaft des Parlaments sei klar: LGBTIQ-Menschen sollten nicht existieren. «Aber wir existieren. Und wir sind stark», so Iga Isma. (Du kannst die Arbeit von Happy Family Youth Uganda auf Gofundme mit einer Spende unterstützen.)

Der Mythos des «Unafrikanischen» Yoweri Museveni setzte allerdings schon 2014 seine Unterschrift unter ein homophobes Gesetz. In einem öffentlichen Statement zwei Jahre zuvor erklärte der seit 1986 amtierende Präsident zwar, dass in Uganda schon immer homosexuelle Menschen existiert hätten. Auch seine wissenschaftlichen Berater kamen zum Schluss, dass gleichgeschlechtliche Liebe in jeder Gesellschaft vorkomme. Aufgrund des inländischen politischen Drucks revidierte Yoweri Museveni seine Meinung schliesslich und verdrehte sie ins Gegenteil: Homosexualität sei den Afrikaner*innen vom Westen aufgedrängt worden.

Afrika
Afrika

Er unterzeichnete das Gesetz, das später vom Obersten Gericht Ugandas wegen einer zu geringen Anzahl von Stimmen im Parlament für ungültig erklärt wurde. Damit war Museveni fein raus: Den Mitbürger*innen zeigte er mit der Unterschrift seinen homophoben Willen, was ihm im Kampf um die Wiederwahl günstig schien; zugleich blieben internationale Konsequenzen für den ostafrikanischen Binnenstaat aus.

Kolonialisierung brachte Homohass Afrikanische Politiker*innen bezeichnen Homosexualität oft als «unafrikanisch», um ihre homophoben Gesetzesvorschläge zu legitimieren. Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht eine unsinnige und gefährliche Aussage, wie die ugandische Rechtswissenschaftlerin und Menschenrechtsaktivistin Sylvia Tamale schreibt. Ihr Text wurde bereits 2015 von der Heinrich Böll Stiftung veröffentlicht – und hat bis heute nicht an Aktualität eingebüsst.

Einerseits könne man Afrika nicht als homogene Entität abbilden, schreibt Tamale. «Afrikanisch» ist also zwangsläufig ein schwammiger Begriff. Was «afrikanisch» ist, interpretieren die herrschenden Mächte im Land, wie es ihnen gerade passt.

Besonders falsch ist der Begriff im Zusammenhang mit Homosexualität. Die Ächtung homosexueller Beziehungen kam erst mit den Kolonialherren nach Afrika. Im Fall von Uganda war es England. Gleichgeschlechtlicher Sex war im vorchristlichen und vorislamischen Afrika in vielen ethnischen Gruppierungen sogar tief verwurzelt.

Dafür gibt es zahlreiche Belege. Die alten Höhlenmalereien der San in der Nähe von Guruve in Simbabwe zeigen etwa zwei Männer bei der Ausübung des rituellen Geschlechtsakts. Die «mudoko dako» oder «weiblichen Männer» unter den nordugandischen Langi wurden in der vorkolonialen Zeit wie Frauen behandelt und es war ihnen erlaubt, Männer zu heiraten.

Grosses LGBTIQ-Vokabular Darüber hinaus war in Buganda, einem der grössten Königreiche Ugandas, die Homosexualität von König Mwanga dem Zweiten, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts regierte, ein offenes Geheimnis.

Auch der Wortschatz aus der vorkolonialen Zeit ist ein Beleg für das Vorkommen gleichgeschlechtlicher Beziehungen. Sylvia Tamale nennt hier als Beispiel «inkotshane», was bei den Shangaan, einer Bantu-Ethnie im südlichen Afrika, die Bezeichnung einer gleichgeschlechtlichen Beziehung bezeichnet. Basotho-Frauen im heutigen Lesotho gehen gesellschaftlich sanktionierte erotische Beziehungen als «motsoalle» («spezielle Freundinnen») ein. In der senegalesischen Wolof-Sprache werden schwule Männer als «gor-digen» («Männer-Frauen») bezeichnet.

Magische Kräfte durch Analsex Nicht zuletzt diente die gleichgeschlechtliche Sexualität in vielen afrikanischen Gemeinschaften als Quelle für magische Kräfte. Man erhoffte sich davon eine üppige Ernte, eine erfolgreiche Jagd und die Abwehr von bösen Geistern. In Angola und Namibia gab es beispielsweise männliche Wahrsager, von denen man annahm, dass sie durch Analsex mächtige weibliche Geister an die anderen Männer weitergeben können.

Sylvia Tamale gelangt zum Schluss: Nicht die Homosexualität ist «unafrikanisch», sondern die Gesetze, die solche Beziehungen kriminalisieren. «Es mutet geradezu ironisch an, wie ein afrikanischer Diktator, der einen dreiteiligen Anzug trägt, ständig sein iPhone befingert, auf Englisch parliert und freimütig Bibelzitate von sich gibt, es wagen kann, etwas als unafrikanisch anzuprangern.»

Umbruch in der Karibik Im Gegensatz zu Uganda und anderen afrikanischen Ländern befreien sich immer mehr karibische Staaten von den homophoben Gesetzen der Kolonialzeit. Auf St. Kitts und Nevis war Homosexualität verboten, bis der Oberste Gerichtshof der Ostkaribik im vergangenen Sommer die betreffenden Gesetze für «null und nichtig» erklärte (MANNSCHAFT berichtete).

Barbados hat ebenfalls kürzlich Homosexualität legalisiert (MANNSCHAFT berichtete). Auch in Belize (MANNSCHAFT berichtete) und Trinidad und Tobago (MANNSCHAFT berichtete) ersetze man Abschnitte, die gleichgeschlechtliche Sexualbeziehungen kriminalisierten.

Das könnte dich auch interessieren