«Au contraire, Monsieur!» – Die Kunst der Gender-Ironie
Die neue MANNSCHAFT+-Kolumne
In der ersten Ausgabe unserer neuen Kolumne «Mann, Frau Mona!» enthüllt die Dragqueen Mona Gamie die Kunst der Geschlechterironie. Wir feiern die glamourösen Diven, die unserer Community Freude und Trost spenden.
Geschätzte Leser*innen, alle dazwischen, innerhalb und ausserhalb: Seien Sie Willkommen, Bienvenue, Welcome zu meiner Kolumne – in der nächsten Zeit werden wir hier in der MANNSCHAFT miteinander das Vergnügen haben. Man hat mich Ihnen nämlich als neue Autorin vorgesetzt, ob Sie nun wollen oder nicht. Aber so ist das halt mit den Dragqueens: Sind sie erst einmal da, ist es schwer, sie zu ignorieren, nicht wahr?
Apropos Ignorieren: Erst kürzlich, es war nach einem Auftritt, wurde mir doch tatsächlich eine Frage gestellt, die ich am liebsten glatt ignoriert hätte. Da kam ein Zuschauer zu mir und fragte, ob es nicht ein wenig frauenfeindlich sei, wenn Dragqueens auf der Bühne ein derart stereotypes Frauenbild präsentierten: Dick geschminkt, immer auf Stöckelschuhen trippelnd, wie ein Christbaum mit Klunkern geschmückt und mit einem Hang zur schnippischen Süffisanz.
‹Au contraire, Monsieur!›, holte ich zur Apologie der Weiblichkeit aus.
Sie können sich vorstellen, dass ich mich ob dieser Frage fast an meinem Chardonnay verschluckt habe! Ich schnappte nach Luft: «Au contraire, Monsieur!», holte ich zur Apologie der Weiblichkeit aus. Zum einen lässt es über den Fragesteller tief blicken, wenn er diese sogenannten weiblichen Stereotype als etwas Negatives empfindet. Warum soll es schlecht sein, feminin aufzutreten? Fünfzehntausend Jahre Patriarchat lassen grüssen.
Zum anderengeht es doch genau darum, die Geschlechterklischees ironisch zu unterlaufen. Auch wenn wir heute in einer Welt leben, wo den Geschlechtern – zumindest in unseren Breitengraden – mehr Freiheiten bei der Entfaltung zugestanden wird, so steckt in vielen Köpfen halt immer noch die hartnäckige Idealvorstellung von zwei Extrempolen mit dem hypervirilen Super-Mann auf der einen und der superfemininen Voll-Frau auf der anderen Seite.
Als Dragqueen zeige ich dem Publikum, dass mich mein männliches Geschlecht, das mir bei Geburt zugewiesen wurde, keineswegs daran hindert, mindestens genauso feminin zu sein wie das klischierteste Abziehbild eines Pin-up-Girls aus den 50ern.
Meine Drag-Kolleg*innen und ich wollen damit sagen, dass das biologische Geschlecht noch längst kein Urteil darüber ist, wie man bis frau sich zu geben hat oder geben darf.
Und was soll schon schlecht daran sein, die glamouröse Diva zu geben?
Vielmehr ist doch Geschlecht allzu oft einfach eine mehr oder minder gut inszenierte Verwechslungskomödie mit allerlei Verwicklungen. Finden Sie nicht auch? Und schliesslich: Die meisten Dragqueens huldigen in ihren Auftritten den grossen Diven von einst und heute. Jenen Diven, Stars und Vedetten, die unserer Community stets Freude, Lust und Trost gespendet und sich immer auf unsere Seite geschlagen haben. Und was soll schon schlecht daran sein, die glamouröse Diva zu geben?
Der Ratsuchende (vielleicht auch Ratlose) zuckte nach meiner Antwort mit den Schultern und meinte etwas verlegen: Es sei ihm halt aufgefallen und danach nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Sie sehen, mit den Dragqueens ist es eben tatsächlich so: Sie lassen sich schwer ignorieren …
Mann, Frau Mona!
Mona Gamie: Dragqueen mit popkulturellem Schalk und nostalgischem Charme. Diven-Expertin, Chansonnière und queere Aktivistin.
[email protected] Illustration: Sascha Düvel
Die MANNSCHAFT-Kommentare der letzten Wochen findest du hier.
*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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