Ich bin weder ein Feindbild noch ein düsteres Fabelwesen!

Die Trans-Perspektive: Die MANNSCHAFT-Kolumne von Anastasia Biefang

Anastasia Biefang (Foto: privat)
Anastasia Biefang (Foto: privat)

Anastasia Biefang war die erste trans Kommandeurin der deutschen Bundeswehr und schreibt regelmässig eine Kolumne* für MANNSCHAFT. Diesmal zur Frage, warum auf einmal Frauenrechte im Widerspruch zu Trans-(Frauen-)Rechten zu stehen scheinen.

Hype, Verwirrung, falscher Körper oder einfach nicht richtig im Kopf. Das sind Beschreibungen, die ich zuletzt online über mich lesen durfte, aber auch Zuschreibungen, die in den letzten Monaten allgegenwärtig über transidente Menschen – insbesondere transidente Frauen – in Artikeln und Kommentaren zu finden waren.

Das mediale Echo in dieser Hinsicht ist gross und bringt eine neue Art der Anti-Trans–Bewegung zum Vorschein. Der sogenannte Trans-ausschliessende radikale Feminismus (TERF) ist ganz vorne mit dabei.

Interessant ist, dass auf einmal Frauenrechte im Widerspruch zu Trans-(Frauen-)Rechten zu stehen scheinen. Angeblich bedrohen die Existenz und das Selbstbestimmungsrecht von trans Frauen diejenigen der cis Frauen, nehmen ihnen Schutzräume und liefern sie schutzlos an «triebgesteuerte trans Frauen mit oder ohne Penis» aus. Als wäre das nicht genug, werfen die Gegner*innen dem Staat eine zunehmend verständnisvolle Gesetzgebung zum Personenstand vor, die medizinische Kaste fördere das Transsein, indem sie gefällige Gutachten schreibe und den Therapiezwang abschaffe. Um ja nicht als «transphob» zu gelten, gebe man dem Druck einer Armee von transidenten Menschen nach und anerkenne ihr empfundenes Geschlecht als Mann oder Frau. Ein staatlich abgesegneter Missbrauch von cis Frauen sozusagen. Die Anti-Trans-Bewegung beklagt, dass der Selbstbestimmung einiger weniger «Verwirrter» ein höherer Wert eingeräumt werde, als dem Schutz von «echten» Frauen.

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Ich vermag diese Diskussion in diesen wenigen Zeilen nicht zu verharmlosen oder die feministischen Bestrebungen von Frauenrechtler*innen kleinzureden oder gar in Abrede zu stellen. Ich empöre mich aber über die Rhetorik, die gezeichneten Bilder und die vermeintlichen Ängste, die geschürt werden. Als Frau mit trans Hintergrund werde ich ausgegrenzt und in meiner selbstbestimmten Existenz als Frau in Frage gestellt. Ich bin ein Feindbild. Ich bedrohe als Geschöpf einer willkürlichen und geschlechtsfluiden Welt, sitzend auf einem Zaun wie eine Hexe, im Jenseits und Diesseits der binären Geschlechtlichkeit. Ein düsteres Fabelwesen, wie von J. K. Rowling zuletzt propagiert (MANNSCHAFT berichtete). Fehlt nur noch der Besen für den geschlechtsteuflischen Ritt.

Ich bin eine Frau. Was heisst Frausein für mich? Ganz einfach: Es heisst für mich, endlich Ich sein zu dürfen. Und das ist einfach fabelhaft. Meine Lebensrealität und meine Lebenserfahrung unterscheiden sich natürlich von denen einer cis Frau. Diese behindern den feministischen Kampf um gesellschaftliche Anerkennung und gegen das Patriarchat jedoch nicht. Ich bin keine Wölfin im Schafspelz, die die Frauenbewegung unterwandert. Ich stehe Seite an Seite mit meinen Schwestern für Gleichberechtigung. Wir ergänzen uns in unseren Erfahrungen. Und meine Perspektive auf die Welt, insbesondere das Patriarchat, können den Feminismus stärken.

Wir müssen uns nicht gegenseitig in Grabenkämpfen beharken, um zu klären, wer die «bessere» Frau ist oder welche Erfahrungen unser Frausein begründen und welche Realitäten exklusive Frauenerfahrungen sind. Aber eins ist gewiss. Je mehr der Diskurs auf Ausgrenzung steuert, je mehr transidente Personen entmenschlicht dargestellt werden, desto düsterer wird es für unsere Sicherheit vor Übergriffen, desto grösser wird unser Bedürfnis nach Schutz. Arbeiten wir also zusammen, wenn es darum geht, das cis-heteronormative Patriarchat zu überdenken!

*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

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