«Schwule Männer, Sex mit uns macht euch nicht heterosexuell!»

Anastasia Biefang über ihre Transgeschlechtlichkeit und die Lust der anderen

Foto: Gwen Mamanoleas/Unsplash
Foto: Gwen Mamanoleas/Unsplash

Genauso wie vor der Transition will unsere Kolumnistin Sex mit einem schwulen Mann erleben, so wie sie ihn früher auch hatte. Aber dann rauscht auf einmal die Schranke im Kopf herunter.

Ich steh auf schwule Männer! Die Sackgasse für jede Frau wie mich auf der Suche nach geilem Sex. Ich bin mein eigener Cock-Block. Das fasst so ziemlich meine Erfahrungen in queeren Räumen mit schwulen Männern zusammen. So ist das halt.

«Du bist eine Frau, ich ein schwuler Mann. Das passt doch nicht zusammen. Ich steh einfach nicht auf Frauen. Ich mag keine Vagina.» Das ist das Feedback, manchmal mehr, manchmal weniger empathisch kommuniziert. Der Typ dreht sich um und lässt mich stehen.

Warum beschäftigt mich das eigentlich? Ist es nicht ein wahnsinniges Kompliment? Ich werde als Frau gesehen. Ich erhalte Bestätigung in meiner Geschlechtsidentität. Schön. Bestätigung, aber unbefriedigt. Klasse. «Dann mach es doch mit den anderen Männern, den Heteros. Das ist doch deine Welt.» Danke für den Tipp. Da wäre ich gar nicht von alleine drauf gekommen. Und übrigens: Es ist nicht meine Welt. Ich fühlte mich nie zu heterosexuellen Männern hingezogen. Ich hatte vor meiner Transition Sex mit Frauen und (meistens) schwulen Männern. Das war geil und auch nie ein Problem.

Und so wie ich schwulen Männern begegnete, ob und wie ich sie attraktiv fand, sie ansprach, sie in verschiedenen Räumen gelesen habe und im Einvernehmen mit ihnen Sex hatte, genauso mache ich es heute auch noch. Die Räume, die Blicke und die Rituale sind genauso wie damals. Nur der geile Sex, der ist nicht mehr so oft da. Und ja, ich weiss, dass ich keinen Penis habe. Ich weiss, dass eine Neovagina nicht die sexuelle Erfüllung schwuler Männer ist, aber um die geht es doch auch gar nicht. Ich will es genauso wie vor der Transition. Ich will den Sex mit einem schwulen Mann erleben, so wie ich ihn früher auch hatte. Ich will es nicht einsehen, dass meine Transgeschlechtlichkeit irgendetwas daran ändern sollte. Und 100%ig von mir nicht angetan sind sie auch wieder nicht.

Habt ihr so viel Angst davor, dass der anale Ritt mit einer transgeschlechtlichen Frau euch eurer schwulen Identität beraubt?

Also was ist es, das auf einmal die Schranke im Kopf bei euch schwulen Männern herunterrauschen lässt? Habt ihr so viel Angst davor, dass der anale Ritt mit einer transgeschlechtlichen Frau euch eurer schwulen Identität beraubt? Ist die Neovagina so bedrohlich, dass ihr den euch wohl bekannten körperlichen Zugang überseht? Ich verstehe es nicht und meine befreundeten trans Männer verstehen es auch nicht. Auch sie teilen oftmals diese Erfahrung, kennen die Ablehnung, aufgrund dessen, was nicht zwischen den eigenen Beinen hängt.

Ein Hoch auf den Anus! Sex mit uns macht euch nicht heterosexuell. Das geile an Analverkehr ist, dass der Anus die geschlechtsloseste Öffnung am ganzen menschlichen Körper ist. Der Anus ist weder weiblich noch männlich, weder homo-, bi- noch heterosexuell. Der Anus ist die egalisierendste und befreiendste Körperöffnung, die die Evolution geschaffen hat. Ein Hoch auf den Anus. Er ist weiterentwickelter als wir alle zusammen, er ist bereits beyond gender.

Wenn ihr also in einem Darkroom oder auf einer Afterparty einer trans Frau begegnet und in ihren Augen die Lust und Verlangen lest, wie sie es in euren tut, dann denkt einfach daran: Auf der anderen Seite einer Neovagina, ist ein genialer, euch gut bekannter Anus.

Anastasia Biefang war die erste trans Kommandeurin der deutschen Bundeswehr in Brandenburg, Protagonistin des Films «Ich bin Anastasia» und ist stellvertretende Vorsitzende der Interessenvertretung der queeren Angehörigen der Bundeswehr, QueerBW. Sie schreibt regelmässig eine Kolumne für MANNSCHAFT+.

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