1 Jahr Zugang zur Samenspende für lesbische Paare

Von dem Bemühen, Eltern zu werden

Bild: iStockphoto
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Mit dem Öffnen der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare im Juli 2022 erhielten lesbische Paare auch den rechtlichen Zugang zu einer Samenspende.

Bis vor einem Jahr war der Zugriff gesetzlich verboten. Das änderte sich zum 1. Juli, denn das Schweiz Stimmvolk hatte zuvor entschieden: Die Ehe wird geöffnet (MANNSCHAFT berichtete), und Lesbenpaare sollen rechtlich Zugang zur Samenspende erhalten.

Nun konnte man zwischenzeitlich davon lesen, dass einzelne Spender in Deutschland mittlerweile schon mehrere hundert Kinder gezeugt haben. Wie kann man dazu Vorsorge tragen, und gibt es Bestrebungen in der Schweiz dem vorzubeugen? Welche Entwicklungen gab es in Bezug auf «Angebot und Nachfrage», und wie steht die Reproduktionsmedizin dazu? Plant die Schweiz spezielle Vorsorgemassnahmen?

MANNSCHAFT fragte nach nach bei Alessandra Widmer, der Co-Geschäftsleiterin der LOS. «Situationen wie in Deutschland sind in der Schweiz rein rechtlich gar nicht möglich. Das Abstammungsrecht und das Fortpflanzungsmedizingesetz sind in der Schweiz sehr viel restriktiver: Zum Beispiel darf ein Spender maximal 8 mal sein Sperma zur Verfügung stellen. Dies wird in einem Register vermerkt, d.h., es kann nicht zum Missbrauch kommen.» Das Register wird vom eidgenössischem Zivil- Standeswesen kontrolliert und befindet sich in Bern.

Über das Abstammungsrecht ist beim Netzwerk Kinderrechte Schweiz zu lesen: «Kinder leben heute in vielfältigen Familienkonstellationen. Das Abstammungsrecht wird diesen gesellschaftlichen Realitäten nicht mehr gerecht. Bundesrat und Parlament streben daher eine Reform an. Das Kindeswohl als oberste Maxime des Abstammungsrechts sollte dabei Leitschnur der Reform sein.»



Weiter ist zu lesen: «Aus kinderrechtlicher Sicht seien damit zahlreiche Fragen verbunden, es geht um das Rechtsverhältnis zu den biologischen und sozialen Eltern, aber auch um das Recht auf Identität und Kenntnis der eigenen Abstammung. Diese Fragen sind im Abstammungsrecht geregelt. Es legt fest, wem ein Kind rechtlich zuzuordnen ist, und welche Regeln gelten, um dies anzufechten. Das Abstammungsrecht hat mit den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht Schritt gehalten. Der Reformbedarf ist seit langem anerkannt und wurde auch vom Bundesgericht kürzlich erneut festgestellt.»

Was hat sich in der Zwischenzeit getan? Rahel Wartenweiler, Geschäftsführerin von Netzwerk Kinderrechte Schweiz, berichtet, dass die Reform auf jeden Fall «im Parlament angestossen» sei. Doch eine Reform gäbe es derzeit noch nicht.

Beim Dachverband Regenbogenfamilien ist bezüglich dazu zu lesen: «Seit der Einführung der Ehe für alle gilt für Kinder, die mittels einer professionellen Samenspende einer Samenbank in der Schweiz gezeugt werden, die gemeinsame Elternschaft ab Geburt, falls das Elternpaar verheiratet ist. Verheiratete Paare bestehend aus zwei Frauen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, für eine Samenspende durch eine Samenbank im Ausland, oder eine private Samenspende in der Schweiz entscheiden, müssen zur Familiengründung das Verfahren der Stiefkindadoption durchlaufen.»

Und wie verhält es sich mit den Samenspenden von einer Samenbank in der Schweiz, im rechtlichen Sinne? «Für Kinder, die ab dem 1. Juli 2022 über eine Schweizer Samenbank gezeugt werden und deren Eltern ein verheiratetes Frauenpaar ist, gilt die originäre Elternschaft ab Geburt des Kindes für beide Mütter, also auch für die nichtgebärende», heisst es beim Dachverband Regenbogenfamilien.

Die OAV IVF Clinic Zürich, die auf «Kinderwunsch» spezialisiert, und als Kinderwunschzentrum tätig ist, und zudem einer der grössten Anbieter von Samenbanken in der Schweiz darstellt, teilt dazu mit, dass sie eine gute bis hohe Nachfrage nach Samenspenden für lesbische Paare hätten. Anna Raggi, ärztliche Leiterin des Zentrums für Kinderwunschbehandlung der Fertisuisse Olten, berichtet, dass es von Anfang an eine grosse Nachfrage von Frauenpaaren gegeben habe.

Mittlerweile stabilisierten sich die Zahlen. Allgemein sei mit einer Wartezeit von etwa 3- 4 Monaten zu rechnen, doch je nach Alter des Paares, könne es auch etwas schneller gehen. Auf die Kostenübernahme angesprochen, antwortet Raggi «Manche Krankenkassen übernehmen die Kosten der Therapien (Untersuchungen, Medikamente, Insemination wie SWICA), manche nicht.» Die Kosten der Spender müsse immer das Paar übernehmen.

Interesse an Samenspende stark gestiegen Wie MANNSCHAFT vom Universitätsspital Basel erfuhr, ist seit der Gesetzesänderung im vergangenen Sommer das Interesse an Samenspenden für gleichgeschlechtliche Paare stark gestiegen. So hätten sich seit Frühjahr 2022 mehr als 20 Paare mit diesem Anliegen vorgestellt. Von diesen hätten zehn Patientinnen bisher insgesamt 30 Behandlungszyklen mit Insemination gemacht.

Der Wunsch nach einem Kind scheint bei vielen lesbischen Paaren sehr gross zu sein, und man kann sehen, welchen Stein die Abstimmung zur Ehe für alle letztendlich ins Rollen gebracht hat. Zur Freude vieler Frauenpaare, die sich endlich ihren grössten Traum erfüllen dürfen: den nach ihrem Wunschkind.

Für Regenbogenfamilien gibt es seit zehn Jahren eine feste Anlaufstelle in Berlin. In Sachen Gleichstellung hat sich für sie schon viel getan – aber es gibt noch Luft nach oben (MANNSCHAFT berichtete).

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